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„Die Herkunft war nie ein Thema für uns“


Deniel Balic und Sven Nakicevic sind Freunde. Die beiden 26-Jährigen verbindet vieles – vor allem der Fußball. In Deutschland geboren haben beide unterschiedliche Wurzeln: Deniels Eltern stammen aus Kroatien, Svens kommen aus Bosnien. Im Gespräch mit SportSirene-Redakteur und Freund Marcus Binder erzählen sie, welche Rolle ihre Herkunft und der Jugoslawienkrieg in ihrem Alltag spielt und wie Fußball ein verbindendes Element sein kann.


Ein Gastbeitrag von Marcus Binder, Universität Tübingen.

© Marcus Binder
Bereits als Kinder habt Ihr Euch mit anderen auf dem Fußballplatz in Albstadt-Tailfingen getroffen. War Eure Herkunft dort ein Thema?

Sven: Auf dem Fußballplatz war die Herkunft egal. Jedoch hat man sich schon mit den Jungs, die auch „Jugos“ waren, gut verstanden.

Deniel: Stimmt. Wir als „Jugos“ haben immer zusammengehalten. Da spielte es keine Rolle, ob du Kroate, Serbe oder Bosnier warst.

Sven: Man fühlt sich nach wie vor mit Menschen verbunden, die eine ähnliche Herkunft haben. Die Sprache, die Herkunft – das ist eben ein verbindendes Element.


Es gab also nie Streit zwischen Euch Kindern ex-jugoslawischer Migranten?

Sven: Die Herkunft war nie ein Thema für uns. Das liegt auch an unserer Erziehung. Junge Menschen haben doch keine eigene Meinung. Sie verhalten sich so, wie sie es von ihrem Umfeld lernen oder was sie von den Eltern gesagt bekommen.

Deniel: Wir haben wegen allem gestritten, aber nie wegen der Herkunft. Ich habe da auch nie schlechte Erfahrungen mit anderen „Jugos“ gemacht. Es gab nur einmal eine Situation, in der sich ein aus Serbien stammender Mann bei meinem Vater beschwert hat, ich solle keine Handyhülle mit der kroatischen Flagge darauf benutzen. Was mir einfalle, das sei respektlos.


Gab es Streit mit anderen wegen Eurer Herkunft?

Deniel: Streit würde ich es nicht nennen. Aber es gibt in Balingen einen Fußballverein, Jadran Balingen. Bei dem spielen fast nur Kroaten. Als ich mehrere Angebote ausgeschlagen hatte, dorthin zu wechseln, warfen sie mir vor, dass ich sie „verraten“ würde. Das ist aber alles längst vergessen. Heute verstehe ich mich mit den Jungs gut. Ich schätze, es lag daran, dass die Kroaten ein sehr stolzes Volk sind und deswegen Groll aufkam, weil ein Kroate ein Angebot seiner „Landsleute“ ausgeschlagen hatte.


Ihr seid beide in Deutschland geboren. Welche Sprache wird bei Euch zuhause gesprochen?

Sven: Bei uns war es immer eine Mischung aus Deutsch und Bosnisch. Wir reden jedoch mehr Bosnisch als Deutsch. Wir wurden sehr jugoslawisch erzogen und da gehört die Sprache auch dazu.

Deniel: Ich bin auch mit beiden Sprachen aufgewachsen. Aber meine Eltern waren irgendwann besorgt, dass meine Schwester und ich die deutsche Sprache nicht richtig lernen würden. Seitdem wird daheim fast nur noch deutsch gesprochen.


Wird bei Euch zuhause auch über den Jugoslawienkrieg gesprochen?

Sven: Wir sind direkt nach dem Krieg geboren. Alles, was wir wissen, wissen wir nur aus Erzählungen. Natürlich wurden wir aufgeklärt. Ehrlich gesagt verstehe ich die Wut mancher Bosnier gegen die Serben, wenn sie erzählen, wie vor ihren Augen an ihren Freunden und Kriegskameraden Kriegsverbrechen begangen wurden. Ich denke, jeder soll da seine eigene Meinung haben. Da ich nicht dabei war, kann ich hierzu keine Position einnehmen.

Deniel: Mir wurde alles relativ spät erzählt. Es ist, wie Sven sagt, noch in den Köpfen der Generation unserer Eltern drinnen. Die jüngere Generation zeigt jedoch durch ihre aufgeschlossene Art, dass es langsam besser wird. In Zukunft wird es sicher kein Thema mehr sein und es wird kein Hass gegen andere geschürt.


Haben Euch Eure Eltern nahegelegt, Euch nur mit Kroaten oder Bosniern zu treffen?

Sven: Nein, meine Nachbarn sind beispielsweise Kroaten und Serben. Wir sind zusammen aufgewachsen. Karlo, ein Kroate, und seine Familie sind wie eine Familie für mich. Ich denke, jeder ist auf seine Herkunft stolz. Das ist jedoch kein Grund für einen Konflikt. Solange man die Sachen anderer wertschätzen kann, kann man auch die eigenen Sachen lieben. Da ist es egal, ob es die Herkunft oder etwas Materielles ist.


Wie denken Eure Verwandten in Kroatien und Bosnien darüber?

Sven: Klar gibt es da den einen oder anderen Onkel, der im Krieg gekämpft hat. Die sagen dann schon mal so Dinge wie „Serben kann man nicht gebrauchen“.

Deniel: Bei uns ist das ähnlich. Viele sind traumatisiert.


Besucht Ihr regelmäßig das Heimatland Eurer Eltern?

Sven: Mir ist es wichtig, jedes Jahr meine Familie in Bosnien zu besuchen. In der Regel also einmal im Jahr.

Deniel: Früher war ich auch jedes Jahr zu Besuch in Kroatien. Mittlerweile gibt es bei mir mehrere Gründe, warum ich nicht jedes Jahr dazu komme. Manche Verwandte habe ich jetzt schon länger als ein Jahr nicht mehr gesehen.


Im Fußball geht es manchmal richtig zur Sache – auch neben dem Platz. Wie ist das bei Spielen der Nationalmannschaften ex-jugoslawischer Länder?

Sven: Im Fußball spielen häufig Emotionen und Ehrgeiz eine große Rolle. Neben dem Platz auch die Masse an Menschen und der Alkohol. Da geht es bei jedem Spiel heiß her. Selbst beim Testspiel der Bosnier gegen die Spanier waren die Bosnier Feuer und Flamme.

Deniel: Vergleicht man die Derbys der „Jugos“ früher und heute, so ist es längst nicht mehr so hitzig, wie es früher mal war. Spannend und hart ja – aber kein Hass, der auf dem Platz zu Unsportlichkeit führt.


Kann Fußball ein verbindendes Element für Kroaten, Bosnier und Serben sein?

Sven: Momentan nicht, es wird ja nur gegeneinander gespielt. Cool wäre es aber, wenn es eine Art „All-Star“-Team von Ex-Jugoslawien gäbe. Ich würde der Mannschaft auf jeden Fall eine Menge zutrauen. Das wäre ein richtiges Schwerkaliber. Man könnte Benefiz-Spiele gegen den FC Barcelona oder Nationalmannschaften austragen. Das wäre eine Möglichkeit, um bei allen Jugos ein „Wir“-Gefühl entstehen zu lassen. So könnte man aus Feinden zumindest für den Moment Freunde machen.


Was bedeutet für Euch Heimat?

Deniel: Das ist nicht einfach zu erklären.

Sven: Für mich ist Heimat, wo ich mich wohl fühle.

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